„Warum Teams sich oft nicht die Wahrheit sagen – und was das wirklich kostet“
- Batja Theismann
- 5. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Nov.
Kennst du das? Im Meeting wirkt alles harmonisch, alle nicken zustimmend – und kaum ist die Sitzung vorbei, geht das große Raunen los: Unzufriedenheit über Entscheidungen, die Arbeitsweise der Kolleg*innen oder die Macken einzelner. Offiziell spricht niemand etwas an, doch hinter den Kulissen brodelt es. Doch offene Teamkommunikation ist entscheidend für eine gute Zusammenarbeit.
Genau so schilderte es mir einmal eine Klientin, die Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens. Ihr Team wirkte in Besprechungen immer einverstanden – bis sie plötzlich merkte, dass die Stimmung im Keller war. Erst im Nachhinein erfuhr sie, dass sich die Mitarbeitenden schon lange über Entscheidungen und Arbeitsweisen ärgerten. Sie war jedes Mal überrascht und fragte sich: „Warum sagt mir das niemand, obwohl ich doch immer wieder betone, dass wir offen reden sollen?“
Im Gespräch wurde klar: Natürlich spricht niemand im großen Plenum offen Kritik an einzelnen Kolleg*innen aus. Zu groß ist die Sorge, andere bloßzustellen – oder sich selbst angreifbar zu machen. Und oft schwingt noch ein weiterer Gedanke mit: „Selbst wenn ich’s sage – es ändert sich ja doch nichts.“

Warum Teams schweigen – psychologische Mechanismen
Dass Menschen in Teams Konflikte lieber runterschlucken, hat viele Gründe:
Inneres Team im Kopf: Auch Mitarbeitende haben unterschiedliche Anteile in sich.
Die/Der Loyale: „Sag lieber nichts, sonst schadest du deiner Beziehung.“
Die/Der Bequeme: „Mach keinen Stress, es lohnt sich nicht.“
Die/Der Mutige: „Sprich es an, es nervt dich doch schon lange!“
Die/Der Skeptiker:in: „Es bringt eh nichts.“
Am Ende gewinnen oft die Stimmen, die Ruhe und Sicherheit wollen.
Innere Verbundenheit zur Arbeit: Wer sich stark mit seinem Job und Team identifiziert, ist eher bereit, Konflikte einzugehen. Wer innerlich schon auf Distanz ist, denkt: „Warum Energie verschwenden? Ich mache einfach nur meinen Job.“
Status & Gesichtsverlust: Niemand möchte in einer großen Runde schlecht dastehen oder riskieren, dass andere sich gegen einen stellen.
Erlernte Hilflosigkeit: Wenn Mitarbeitende mehrfach erlebt haben, dass Kritik ins Leere läuft, verstummen sie irgendwann komplett.
Was Teams brauchen, damit ehrliche Kommunikation möglich wird
Offene Kommunikation entsteht nicht durch Appelle wie „Seid ehrlich!“, sondern durch Strukturen und Rahmenbedingungen:
Strukturierte Feedback-Formate nutzen: Statt einfach in den Raum zu fragen „Hat jemand Feedback?“, helfen feste Formate. Zum Beispiel die Methode Sonne und Schatten:
Sonne: „Das hat mir Energie gegeben.“
Schatten: „Das hat mich Kraft gekostet.“So wird Feedback entpersonalisiert und ehrlicher Austausch möglich.
Führung als Vorbild: Wenn die Chefin oder der Chef auch eigene Fehler oder Unsicherheiten teilt, signalisiert das: Offenheit ist erlaubt.
Verbindlichkeit zeigen: Feedback darf nicht folgenlos verpuffen. Wenn Mitarbeitende sehen, dass Rückmeldungen ernst genommen und umgesetzt werden, wächst das Vertrauen.
Innere Verbundenheit zur Arbeit: Wer sich stark mit seinem Job und Team identifiziert, ist eher bereit, Konflikte einzugehen und offen Feedback zu geben. Wer innerlich schon auf Distanz ist – also eher denkt: „Ich geh hin, arbeite, geh heim und krieg mein Geld“ – wird kaum Energie investieren, um Konflikte anzusprechen oder Lösungen aktiv mitzugestalten. Eine echte Verbundenheit jedes Einzelnen zur Arbeit und zum Team ist also entscheidend dafür, dass Kommunikation überhaupt möglich wird. Diese Verbundenheit wird zusätzlich gestärkt, wenn die Arbeit aller anerkannt wird – egal ob Vollzeitkraft, studentische Aushilfe oder Minijobber. Jeder Beitrag zählt und wird geschätzt.
Unterschiedliche Meinungen akzeptieren und tolerieren: Ehrliche Kommunikation braucht die Sicherheit, dass andere Sichtweisen nicht bewertet oder abgewertet werden. Wenn Teams Vielfalt an Meinungen als Ressource sehen – statt als Störung –, entsteht Raum für echten Dialog. Erst wenn klar ist: „Ich darf anders denken – und bin trotzdem Teil des Teams“, können Menschen wirklich offen sprechen.
Was hätte die Chefin im Beispielfall tun können?
Im Coaching haben wir besprochen, wie sie ihr Team Schritt für Schritt an offenere Kommunikation heranführen kann. Dazu gehörte:
Das unausgesprochene Thema sichtbar machen: Sie konnte die Beobachtung („Ich habe den Eindruck, dass es nach unseren Meetings noch offene Fragen oder Unzufriedenheiten gibt“) offen ansprechen – ohne Vorwürfe, sondern mit echter Neugier.
Klare Regeln für Feedback einführen: Zum Beispiel die Methode Sonne und Schatten: Jede*r benennt einen positiven Aspekt und einen Punkt, der Energie gekostet hat. Damit wird Kritik nicht als Angriff formuliert, sondern als Erfahrung.
Erste kleine Erfolge sichtbar machen: Ein Vorschlag oder Kritikpunkt, der tatsächlich zu einer Veränderung führt, zeigt den Mitarbeitenden: „Es lohnt sich, etwas anzusprechen.“
Eigene Haltung vorleben: Indem sie selbst Unsicherheiten oder Fehler offen benannt hat, hat sie dem Team signalisiert: Offenheit ist erlaubt und gewollt.
Fazit: Harmonie um jeden Preis ist teuer
Schweigen schützt kurzfristig vor Konflikten – doch langfristig frisst es Vertrauen, Energie und Motivation. Wirkliche Teamstärke entsteht nicht aus Harmonie, sondern aus der Fähigkeit, Spannungen auszuhalten und produktiv zu nutzen.
Wenn du mit deinem Team lernen möchtest, wie ehrliche Kommunikation gelingt, begleite ich euch gerne dabei.



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